Darf ich zehnjähriges Öl noch verwenden?

Zehn Kundenfragen zu Motorenöl

Darf ich zehnjähriges Öl noch verwenden?

23. August 2023 agvs-upsa.ch – Garagisten arbeiten täglich mit Motorenöl. Aber manchmal gibt es einfache Fragen von Kundinnen und Kunden, deren Beantwortung weniger simpel ist als gedacht: Darf man altes Öl noch verwenden? Und was bringt die Fingerprobe mit einem Öltropfen? Wir stellen einem Experten des Schmierstoffherstellers Laemmle Chemicals (Ölmarke: Roxor) zehn solcher Fragen über Motorenöl. 

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Laborarbeit: Am Infrarot-Spektrometer zur Schmierstoffanalyse besprechen Co-CEO Silvan Lämmle (links) und Martin Ruch, Leiter Technical Support, zwei frisch entwickelte Motorenöle der Laemmle-Ölmarke Roxor. Fotos: AGVS-Medien

tpf. Manchmal braucht man einen Auskenner: Man hat eine Detailfrage – und irgendwann findet man endlich diese Enzyklopädie aus Fleisch und Blut, die die Antwort kennt. Beim Thema Motorenöl ist Martin Ruch so ein Auskenner. Ruch ist bereits stolze 30 seiner 49 Lebensjahre bei Laemmle Chemicals, also der ehemaligen Panolin, wo er als Leiter Technical Support und Mitglied der Geschäftsleitung amtet. «Oft haben unsere Kunden die interessantesten Anfragen», erläutert Ruch. Ein geruchsloses Maschinenöl für ein Dampfschiff? Öl, das wie Schoggi aussieht? Das zwölfköpfige Support-Team des Familien-KMUs aus Madetswil im Zürcher Oberland machts möglich. Für uns beantwortet Ruch Fragen, die Garagisten oder er teils von Kunden hören. 

Herr Ruch, darf ich ein zehnjähriges ­Motoröl noch verwenden?
Martin Ruch: Jein. War ein Motorenöl trocken und temperaturstabil gelagert, ist es in der Regel auch nach zehn Jahren noch gut. Trotzdem ist Alterung nie auszuschliessen: Sobald ein Gebinde nicht mehr originalverschlossen ist, weiss man nicht, was das Öl erlebt hat. Wir kennen einen Fall, in dem Dieselmotoren mit Hydraulik-Altöl betrieben wurden, weil es in einem nicht korrekt bezeichneten Motorenölfass zwischengelagert wurde. Ist also das Gebinde nicht originalverschlossen oder das Auto deutlich jünger als die Lagerdauer, sollte man lieber neues Öl kaufen. 

Macht die traditionelle Farb- und ­Fingerprobe mit einem Öltropfen Sinn?
(Lacht.) Nein. Es sieht eindrucksvoll aus, sagt aber nichts über die Kompetenz dessen, der es tut. Die Farbe gibt weder Auskunft über Alter noch Zustand. Manche Motorenöle dunkeln bereits unter UV-Einfluss ab. Dunkles Motorenöl sagt nichts anderes aus, als dass es seine Aufgabe erfüllt. Und reibt man es und spürt etwas, dann ist es eigentlich zu spät: Dann hat Verschleiss bereits Abrieb verursacht. 

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Experten nicht nur für das hauseigene Roxor: Fragen rund um Motorenöl oder weitere Schmierstoffe werden bei Laemmle Chemicals in Madetswil ZH von zwölf Mitarbeitenden – hier Martin Ruch – aus der Entwicklung, dem Service und dem Techniksupport beantwortet.

Das Internet rät: Kein Öl kaufen, sondern altes Öl durch Filtern reinigen.
Das ist sinnlos. Zwar filtert man so feste Partikel heraus, aber das Öl muss auch chemische Aufgaben erfüllen. Zum Beispiel entstehen im Verbrennungsprozess Säuren, die wir im Öl durch Basen neutralisieren. Aber die Basen werden wie die anderen Additive ge- und verbraucht und fehlen irgendwann. Deshalb geht es nicht ohne Ölwechsel.

Wie ernst soll man Ölspezifikationen der Autohersteller nehmen?
Sehr ernst. Die Hersteller spezifizieren nicht grundlos, sondern damit ganz bestimmte Eigenschaften erreicht werden. Wird eine Alternative gesucht, geht es nicht ohne Fach-, Rezeptur- und Laborkenntnisse, wie dies bei uns zur Verfügung steht: Wir kennen die Formulierung und können es beurteilen und sagen, welche Alternative sich eignet. Aber mindestens während der Garantiezeit sollte man Spezifikationen unbedingt einhalten. Geht es jedoch mal nicht anders, dann lieber falsches Öl derselben Viskosität als kein Öl wählen.

Und wenn zum Beispiel am Ferienort kein Öl gleicher Viskosität zu haben ist?
Als Faustregel gilt: Bei hohen Aussentemperaturen darauf achten, dass die hintere Zahl – also zum Beispiel bei 5 W-30 die 30 – übereinstimmt und bei tiefen Temperaturen die vordere Zahl – hier die 5, denn W definiert das Kälte-Viskositätsverhalten, W gleich Winter. Und nach den Ferien ab zum Garagisten und einen Motorölwechsel durchführen lassen. 

Oft herrscht Unklarheit über den Begriff synthetisches Öl. Klingt nach künstlichem Öl …
…, was es nicht ist. Nur der Produktionsprozess ist anders. Klassisches Mineralöl wird «nur» raffiniert, aber ein synthetisches wird synthetisiert, um gewünschte Eigenschaften zu erzielen. Synthetisches Öl bietet viele Vorteile: grössere Temperatur-Viskositäts-Bandbreite, höhere Alterungs-, Oxydations- und Temperaturstabilität und viel mehr. Es ist aber nicht grundsätzlich, sondern in seinem spezifischen Einsatzbereich besser. Das heisst: Ein synthetisches Öl hat im Oldtimer keinen Sinn, dafür hat ein klassisches Einbereichsöl im modernen Hochleistungsmotor nichts zu suchen. 

Wieso ist Motorenöl in den Garagen heute so viel teurer?
Erstens ist es das nicht: Die Wartungsintervalle sind ja heute dank viel besseren Öls viel länger. Noch vor 20 Jahren war es ein Jahr oder 10000 Kilometer, heute sind es auch mal drei Jahre oder 50000 Kilometer – und damit ist es im Verhältnis oft günstiger. Zweitens ist es gerechtfertigt, dass Garagisten prozentual mehr am Öl verdienen als Ölhersteller: Der Garagist sorgt dafür, dass das spezifikationskonforme Motorenöl in der richtigen Menge zum Servicezeitpunkt verfügbar ist; er beschafft, lagert und handhabt also das Motorenöl für jedes Kundenfahrzeug und erbringt diesen Service für jeden Kunden.

Muss man in Zeiten digitaler Ölstands­kontrollen noch manuell den Ölstand prüfen? 
Unbedingt! Der beste Sensor kann auch mal defekt sein; ein Ölstand zu nahe am Minimum belastet das verbleibende Volumen thermisch höher: Weniger Motorenöl muss mehr Arbeit erledigen. Regelmässige Ölstandskontrolle mindestens vor langen Strecken und einen Liter Öl zum Nachfüllen dabei zu haben, führt zu entspannten Langstreckenfahrten ohne unliebsame Reiseverzögerungen. 

Machen Garagen auch mal Fehler im Umgang mit Öl?
Selten: Garagisten lernen dem Umgang mit Öl von der Pike auf. Die saubere Trennung von Flüssigkeits-Massen für Motorenöl, Kühlerfrostschutz und Scheibenwischwasser und die Verwendung von korrekt beschrifteten, verschliessbaren Nachfüll-Gebinden ist in Werkstätten in der Regel Standard. Selbstverständlich ist auch die periodische Kontrolle und Reinigung der betriebseigenen Ölbar nicht zu vernachlässigen, um zum Beispiel Schmutzeintrag aus der Umgebung zu entfernen.
 
Ist bei Laemmle Chemicals und der neuen Ölmarke Roxor etwas anders als zuvor bei Panolin?

Nein. Wir bleiben ein Familienunternehmen, das in der Schweiz qualitativ hochwertige Produkte entwickelt und herstellt: Wir müssen schon beste Qualität garantieren, weil wir bei unserer Unternehmensgrösse nur damit unseren Platz zwischen den Grossen halten. Und typisch bleibt unsere Kundennähe: Der Garagist, der fünfzig Liter kauft, ist so wichtig wie der Tankzug-Abnehmer mit 50 Tonnen – beide erhalten dieselbe Beratung.
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