«Alles kommt zum richtigen Zeitpunkt…»

Rückblick mit Pierre Daniel Senn

«Alles kommt zum richtigen Zeitpunkt…»

1. Juli 2024 agvs-upsa.ch – An der DV in Basel trat Pierre Daniel Senn aus dem ZV zurück. Wir blicken mit dem Neuenburger auf seine Ära im ZV zurück.

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Pierre Daniel Senn vertritt die Interessen der Garagisten auch im Schweizerischer Gewerbeverband SGV und Verband des Strassenverkehrs FRS Strasseschweiz. Fotos: AGVS-Medien

Herr Senn, Sie engagieren sich schon fast ein halbes Leben lang für den AGVS und sind seit 1994 im Zentralvorstand. Was fasziniert Sie so an der Verbandsarbeit?
Pierre Daniel Senn: Ich denke, es ist wichtig, die Rahmenbedingungen für unseren Beruf mitgestalten zu können. Die Arbeit in Berufsverbänden hilft dabei, dieses Ziel zu erreichen. Um Ergebnisse zu erzielen, ist ein (sehr) langfristiges Engagement erforderlich, das ist nur in Berufsverbänden möglich. Wichtig ist auch das Dienen. «Frage nicht, was der AGVS für dich tun kann, sondern was du für den AGVS tun kannst» – ein Zitat in Anlehnung an den berühmten Satz von J.F. Kennedy. Genauso wie das Handeln. «Es ist nicht nötig zu hoffen, um etwas zu unternehmen, noch Erfolg zu haben, um nicht aufzugeben» – ein Zitat von Wilhelm von Oranien. Dies könnten meine beruflichen Referenzen sein: Dienst und Handeln. Dienst, um zu handeln, und Handeln, um zu dienen. Beides gehört zwingend zusammen. Denn Dienen, nur um zu dienen, führt in die Sklaverei. Und Handeln, nur um zu handeln, verursacht lediglich Lärm. Die Verbandsarbeit ermöglicht es meiner Meinung nach am besten, die Kombination dieser Prinzipien, die mich inspirieren, in die Praxis umzusetzen.

Was hat sich in Ihrer ZV-Zeit alles verändert?
Die Grundlagen unseres Berufs haben sich nicht geändert: Der Garagist hat die Aufgabe, die Lebensdauer des Industrieprodukts Auto zu verlängern, indem er es repariert oder gebraucht weiterverkauft. Zudem hat er als Markenhändler die Aufgabe, den Lagerbestand der Fabrik zu finanzieren, dies im Gegenzug für ein gewisses Markenmonopol. Die vielleicht grösste Veränderung fand ums Jahr 2000 statt, als das Angebot an Neufahrzeugen grösser wurde als die Nachfrage. Von da an begann sich die Organisation des Autohandels grundlegend zu verändern, mit kontinuierlichen Umstrukturierungen der Vertriebsnetze, staatlichen Regulierungen – beispielsweise Comm’auto – und der Diversifizierung vom «einzigen» Werkstattmodell zu einem viel diversifizierteren Modell mit spezialisierten Werkstätten.

artikel_1.jpgAbschiedsgeschenk: Pierre Daniel Senn (l.) erhält von Manfred ­Wellauer zum Abschied symbolisch ein E-Bike.

Sie vertreten die Interessen der Garagisten auch im Schweizerischer Gewerbeverband SGV und Verband des Strassenverkehrs FRS Strasseschweiz. Was waren Ihre grössten – auch politischen – Erfolge in dieser Zeit?
Die drei traditionellen Wohlstandsfaktoren der Schweiz sind Sicherheit, Energie und Mobilität. Die Sicherheit im weitesten Sinne, sozial wie militärisch, rechtlich wie politisch usw., zudem genügend und erschwingliche Energie. Und schliesslich individuelle und kollektive Mobilität im Zentrum Europas. Diese drei Säulen müssen sich gegenseitig stärken und dürfen nicht im Widerspruch zueinander stehen. Durch unsere Arbeit in den Dachverbänden konnten wir das Gewicht und die Berücksichtigung der Mobilität – der letzte SGV-Kongress hatte etwa die Mobilität zum Thema – als Wohlstandsfaktor, aber auch als Bindemittel der Zivilgesellschaft, stärken. Und im November wollen wir natürlich die Abstimmung über den Ausbau des Autobahnnetzes gewinnen – wir arbeiten alle sehr hart daran! Innerhalb des AGVS konnten wir definieren, was uns eint, nämlich die Verteidigung und Förderung des Garagisten als freier Unternehmer. Und nicht das, was uns trennen könnte, nämlich die Kategorien von Garagisten gegeneinander auszuspielen.

Und die herbsten Niederlagen?
Ich denke, wir haben es trotz vieler Bemühungen noch nicht geschafft, Frauen in unseren Beruf zu integrieren: Das ist unser grösstes Manko. Vielleicht müssen wir junge Frauen davon überzeugen, Familienbetriebe zu übernehmen und so mit gutem Beispiel voranzugehen, damit sich andere junge Frauen dazu entschliessen, einen der vielen Autoberufe zu erlernen. Unser Fehler war wahrscheinlich, dass wir zuerst versucht haben, sie von einer Lehre zu überzeugen, während es besser gewesen wäre, Betriebsleiterinnen auszubilden, um mit gutem Beispiel voranzugehen.

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Die drei langjährigen ZV-Mitglieder Pierre Daniel Senn, Enrico Camenisch und René Degen. (v.l.n.r.)
 

Was werden Sie nach 30 Jahren im ZV am meisten vermissen?
(schmunzelt) Ich bin eher gegenwarts- und zukunftsorientiert. Die Kontakte mit den Fachleuten der Branche werden über andere Wege als die Sitzungen des Zentralkomitees erfolgen. Ich werde jedoch versuchen, die Freundschaften und die ausgezeichneten ­Beziehungen, die sich in all den Jahren mit meinen Kollegen entwickelt haben, aufrechtzuerhalten.

Sie hatten als ZV-Mitglied des AGVS stets einen vollen Terminkalender, wie nutzen Sie die neu gewonnene Zeit?
Diese werde ich für meine Aufgaben bei Strasseschweiz und beim SGV nutzen. Ich möchte mir auch Zeit zum Nachdenken nehmen können. Ich habe noch die Aufgabe, mein Unternehmen erfolgreich an die nächste Generation weiterzugeben; und natürlich werde ich die nötige Zeit für meine Familie aufwenden und, falls noch etwas übrig ist, öfter Geige spielen.

artikel-senn_camenisch.jpgEmotionale Momente für die beiden abtretenden ZV-Mitglieder Pierre Daniel Senn und Enrico Camenisch.

Welchen Rat geben Sie Ihrem Nachfolger/Ihrer Nachfolgerin mit auf den Weg?
Wenn ich mir einen Rat als Kommentar zu meinen dreissig Jahren im Zentralkomitee und zweiundzwanzig Jahren als Vizepräsident erlauben dürfte, würde ich sagen: «Alles kommt zum richtigen Zeitpunkt für den, der warten kann…»

Pierre Daniel Senn persönlich
Schon der Vater und der Grossvater von Pierre Daniel Senn waren Garagisten. Selbst sein Urgrossvater hat sich als Hufschmied um die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen gekümmert. Der Neuenburger sieht den Verband als Türöffner und engagierte sich stark in politischen und rechtlichen Themen. Er war während 30 Jahren im ZV des AGVS, ist zudem SGV-Vizepräsident und seit kurzem Präsident von Strasseschweiz. Pierre Daniel Senn vertritt damit die Interessen des Autogewerbes als erfolgreicher Unternehmer und Garagist mit enormer ­Erfahrung und viel Herzblut. Zum Relaxen geht er gerne Wandern und spielt Geige.
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